12. April 2012

Geschichte: Und ich dachte #1



Und ich dachte, du wärst immer für mich da.
Und ich dachte, du würdest mich nie belügen.
Und ich dachte, du würdest dein Versprechen halten.
Und ich dachte, du hältst mich auf Ewig fest.
Und ich dachte, …
Ich dachte zu viel.
Ich habe dir zu sehr vertraut.
Du hast mein Vertrauen missbraucht.

Somit drückte ich auf „Senden“. Dies sollte die letzte SMS sein, die ich an ihn geschickt habe. Ich wollte endlich abschließen, dieses Kapitel der Trauer hinter mir lassen. Ihn hinter mir lassen. So viele Nächte habe ich an ihn gedacht. So viele Tränen habe ich wegen ihm vergossen. So viel habe ich für ihn auf mich genommen. Was hat er getan? Gar nichts.
Wie konnte ich nur so naiv sein? Wie kann man nur so blind vor Liebe sein, das Leben durch eine rosarote Brille sehen?

Plötzlich hörte ich etwas vibrieren. Mein Handy läutete. Ich verwarf meine Gedanken und begab mich auf die Suche nach einem meiner wichtigsten Gegenstände. „Mom, hast du mein Handy gesehen?“, brüllte ich nach draußen.
„Nein, Liebling, aber vielleicht liegt es in deinem Nachtkästchen!“, schrie sie mir aus dem Wohnzimmer zurück. Meine Mutter war wie jeden Samstagvormittag beim Bügeln. Nach dieser kurzen Antwort (ja, für die Verhältnisse meiner Mutter war dies kurz) wusste ich auch gleich wieder, wo mein Handy sein könnte.
Ich krabbelte auf dem Boden zu meinem Nachtkästchen und machte die erste Schublade auf. Nichts. Ich schloss sie wieder und machte die nächste auf. Wieder nichts. In Gedanken ging ich durch, wie ich den gestrigen Abend verbracht hatte.
Als ich nach Hause kam, habe ich meine Tasche und meine Jacke in eine Ecke geworfen und war nach oben gelaufen. Er hatte mich erneut sitzenlassen. Wieder hatte ich Stunden auf ihn gewartet. Umsonst. Ich kam in meinem Zimmer an und schmiss mich sofort auf mein Bett. Alleine sein. Das wollte ich nur noch. Nichts anderes mehr. Ich verbarg mein Gesicht in meinem Kopfkissen und heulte weiter. Niemand war zu Hause, dadurch konnte mich auch niemand hören. Ich war wieder an einem Tiefpunkt angelangt, an dem ich mir sagte, es reicht. Es reicht. Ich würde einen Schlussstrich ziehen. Endlich. Nach 3 Jahren.
Ich setzte mich auf, nahm mein Handy zur Hand und begann, diesen Text zu schreiben, den ich mir überlegt habe. Bevor ich auf „Senden“ drückte, dachte ich nochmals nach. War dies wirklich eine gute Entscheidung? Wie sehr würde diese eine SMS mein Leben verändern? Ich würde damit abschließen. Nie wieder zu ihm gehen, ihn umarmen und ihm sagen, dass ich ihn liebe. Ich würde nie wieder mit ihm in meinem Zimmer auf meinem Bett liegen und eine DVD gucken. Ich würde nie wieder in seinen Armen einschlafen. Allerdings würden auch die schlechten Seiten ein Ende nehmen. Nie wieder müsste ich mich mit ihm wegen Kleinigkeiten streiten. Nie wieder würde er mich grob behandeln. Nie wieder würde er mich schlagen. Das war für mich Grund genug, die SMS abzuschicken. Das war ‘s. Es war vorbei.Danach legte ich mein Handy auf das kleine Nachtkästchen neben meinem Bett. Die kleine Katze Kitty sprang hoch und warf sich auf meinen Schoß. Sie schnurrte glücklich und zufrieden und ich konnte nicht anders und musste sie umarmen. Den Tränen nahe verharrten ich einige lange Minuten in dieser Position. Manchmal kam es mir so vor, als versteht mich Kitty sehr gut. Sie kommt immer dann besonders angekrochen, wenn es mir schlecht ging. Ich drückte sie an mich und ließ sie erst wieder los, sobald es mir wieder einigermaßen besser ging. Ja, ich war wirklich froh, dass ich eine solch wundervolle Katze habe. Vor allem in Situationen wie dieser.
Als ich eingeschlafen war, legte sich Kitty ans Fußende des Bettes. Sie schmiegte sich an meine wollige, feine Decke.
In der Früh wurde ich von den zwitschernden Vögeln geweckt.
Dies war mein Ablauf gestern Abend. Aber wo ist nun mein Handy? Rein theoretisch müsste es auf dem Nachtkästchen sein, aber da war es nicht. Kitty kam wieder in mein Zimmer und krabbelte unter mein Bett. Sie mochte es gerne, sich zu verstecken. Ich suchte weiter, obwohl mein Handy inzwischen aufgehört hatte, zu vibrieren. „Vielleicht hat ‘s die Katze hinuntergeworfen, hast du schon einmal daran gedacht?“ Meine Mutter stand in der Tür und beobachtete das Geschehen mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Ich krabbelte über meinen lila Teppich zu meinem Nachtkästchen zurück, welches am anderen Ende des Zimmers stand. Dort angekommen schob ich das kleine Möbelstück ein paar Zentimeter vor und was habe ich dahinter erblickt? Mein Handy! Obwohl ich ein ziemlich altes Handy hatte, ist es mir ans Herz gewachsen. Ich hob es auf und sah auf den Bildschirm. Meine beste Freundin Sandra hatte angerufen. Hat sie es etwa schon gehört, dass ich mit meinem Freund Schluss gemacht habe? Gestern war ich einfach zu müde und zu traurig, um sie noch anzurufen. Nach kurzem Zögern rief ich sie auch zurück. Sandra ging sofort ans Handy ran. Wie immer.
„Sag mal… Bist du noch zu retten?!“, brüllte sie fast ins Handy.
„Au, mein Ohr. Schrei doch nicht so. Ich bin gerade erst aufgestanden und noch ziemlich verschlafen“, beklagte ich mich, was sie aber überhaupt nicht beeindruckte, da es ihr egal war. „Bella, wir müssen reden! Nach dem Volleyballtraining komm ich zu dir. Ist das in Ordnung? Dann können wir auch gleich für die Mathe-Arbeit lernen.“ Sie entschied immer alles sehr kurzfristig und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man sie davon auch nicht mehr abbringen. Ich murmelte nur noch etwas vor mich hin, dass ich jetzt frühstücken gehe. Mit diesen letzten Worten legte ich auf, schmiss mein Handy auf das Kopfkissen auf meinem Bett und verließ das kleine Zimmer. Langsam ging ich durch den Flur.
Links von mir konnte man in verschiedene Zimmer gehen und rechts hingen Bilder. Bilder von meiner Familie. Bilder von Pflanzen. Bilder von Tieren. Bilder von meinem verstorbenen Bruder…Wie jedes Mal beachtete ich die Bilder nicht wirklich. In Gedanken verloren schlenderte ich durch das Wohnzimmer, nachdem ich den Flur durchquert hatte. Ich dachte es wäre Schluss. Ich dachte, ich würde nicht mehr an ihn denken müssen, aber da hab ich mich wohl getäuscht. Er war mein erster richtiger Freund. Ja, er war es. Ich blickte aus dem Fenster. Draußen regnete es. „Na prima“, sagte ich lautlos. Das Wetter passte zu meiner Stimmung. Ich dachte an die schönen Zeiten mit Tim. Als wir zusammen am Ofen saßen. Wir froren beide und Tim legte seine Arme um mich und küsste mich auf die Wange. Als wir an wunderschönen Sommerabenden bei ihm im Garten saßen und hoch zu den Sternen sahen. 

[Fortsetzung folgt!] 


©

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